28.09.2014–25.01.2015
Der in Berlin lebende Bildhauer und Installationskünstler Michael Sailstorfer (*1979) zählt zu den wichtigsten Impulsgebern seiner Generation und arbeitet seit über zehn Jahren an einer national wie international wahrgenommenen Erweiterung des Skulpturbegriffs. Sein Werk ist in Nordrhein-Westfalen bisher mit großem Interesse verfolgt worden („Clouds“ in der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf, „Hoher Besuch“ im Skulpturenpark Köln, „Schwarzwald“ im Leopold-Hoesch-Museum in Düren, „Pulheim gräbt“ u.a.). Ein besonderes Charakteristikum seiner Arbeit besteht in der Verschränkung von Dingen und Materialien des Alltags mit einer neuen, oft metaphysisch-ironischen Bedeutung. Mit dieser Strategie des sinnfälligen Wechselns zwischen Realitätsebenen versteht er sich einerseits in der Nachfolge von Marcel Duchamp und Joseph Beuys und distanziert sich andererseits von deren avantgardistischem Sendungsbewusstsein durch einen programmatischen Pragmatismus.
Obwohl Michael Sailstorfer bereits eine beachtliche Reihe von Einzel- und Gruppenausstellungen in renommierten Institutionen vorweisen kann, gab es noch keine größere Übersichtsausstellung seines Werkes in einem Museum. Diesem Desiderat half das Museum Kurhaus Kleve ab, indem es Michael Sailstorfer eine Präsentation in seiner gesamten unteren Etage widmete, wo dieser einen stringenten Parcours durch das Labyrinth seiner bisherigen skulpturalen Fragestellungen entwickelt hatte.
Von besonderem Interesse war dabei die Durchdringung von Innen/Außen und von Natur/Skulptur, die sowohl durch die singuläre Architektur des Hauses als auch durch die Spezifik der Arbeiten nahegelegt wird.
Zur Ausstellung erschien ein Katalog.
Das Museum Kurhaus Kleve zeigte ein mehrstufiges Ausstellungsprojekt, das die herkömmlichen Formate der Sammlungspräsentation und der temporären Wechselausstellung miteinander verschränkt. Übergeordnetes Ziel einer solchen Symbiose war es, durch die Konfrontation unterschiedlicher Kontexte inspirierende Sichtweisen zu erzeugen und das Altbekannte ebenso mit neuen Augen zu sehen wie das noch Unbekannte in bestehende Paradigmen einzubinden. Das galt sowohl für die wunderbaren Bestände des Hauses als auch für die eingeladenen Künstlerinnen und Künstler, die ihre Position quasi als Reibungsfläche der Gegenwart im musealen Resonanzraum entfalten.
Die Neupräsentation der Sammlung umfasste drei große thematische Bereiche. In einem ersten Schritt wurden, ausgehend von der spätgotischen Skulptur im Katharina von Kleve-Saal, die Bestände der Renaissance und des Barock in einem räumlichen Farbklang von dunklem Schiefer, Ochsenblutrot und Tannengrün derart geordnet, dass sowohl inhaltliche Zusammenhänge zwischen den Gruppen der Bildnisse, der Landschaftsdarstellungen und des Kunsthandwerks ablesbar wurden als auch eine raumbezogene formale Stimmigkeit entstehen konnte. Auf diese Weise schien die Geschichte der Herzöge von Kleve oder des brandenburgischen Statthalters Johann Moritz von Nassau-Siegen ebenso auf wie die kunsthistorischen Kontexte der Hauptwerke etwa von Jan Baegert, Arnt van Tricht oder Govert Flinck.
Der zweite Schritt widmete sich dem Werk von Joseph Beuys, das gemeinsam mit dem Nachlass von Ewald Mataré zum identitätsstiftenden Bestand des Hauses gehört und das sich in einer Abfolge von fünf zusammenhängenden Räumlichkeiten entfaltete. Den Auftakt bildete das Vestibül des ehemaligen Friedrich-Wilhelm-Bades mit der Skulptur der „Badewanne“ (1961/1987) und Photographien von Gerd Ludwig, die Beuys in großer Nähe während einer Reise 1978 an den Niederrhein zu den Orten seines Ursprungs zeigten. Es folgte der Energieraum des Ateliers, das der Künstler von 1957 bis 1964 nutzte und das eine Vielzahl von Arbeitsinstrumenten und Materialien enthielt, die den Laborcharakter des Studios betonen. Ebenso zu sehen waren Photographien von Fritz Getlinger, die Beuys in diesem Raum bei der Arbeit am öffentlichen Auftrag eines „Ehrenmales für die Gefallenen beider Weltkriege“ zeigte und mit denen er sich erfolgreich um eine Professur an der Kunstakademie Düsseldorf bewarb. Ein konzentriertes Kabinett mit Zeichnungen der zumeist 1950er Jahre schloss sich an und mündete in einen Saal, in dem unter anderem das vierteilige Hauptwerk „Ohne Titel (Mein Kölner Dom)“ von 1980 präsentiert wurde. Im darüber liegenden Geschoss fanden sich dann die frühen Gips-Skulpturen, Entwürfe und Modelle der 1940er und 1950er Jahre, die in dieser Dichte und Qualität nur im Museum Kurhaus Kleve zu sehen waren.
Der dritte Schritt der Sammlungsneupräsentation umfasste insbesondere die photographischen und skulpturalen Werke der Gegenwartskunst, die in den großzügigen Räumlichkeiten der oberen Kursäle präsentiert wurden. Dort fanden sich sowohl signifikante Arbeiten von Tacita Dean, Andreas Gursky, Candida Höfer, Axel Hütte, Thomas Ruff, Thomas Struth und Jeff Wall als auch die beiden raumdominierenden Setzungen von Paloma Varga Weisz im linken und Stephan Balkenhol im rechten Ausstellungsbereich. Auch die beiden Arbeiten von Isa Genzken, denen der Titel für das Gesamtprojekt „Basic Research“ entlehnt wurde, hatten dort ihren Platz. Ebenso in diesen Zusammenhang gehörten die spektakuläre Neuhängung von „Klever Raum I und II“ von Ulrich Erben in der sogenannten Pinakothek als auch die Präsentation der kleinformatigen, aber hochkarätigen Bestände der Avantgarden der 1960er und 1970er Jahre im vorderen Gebäudeteil, mit denen der Prozess der Sammlungsneupräsentation im Februar 2014 eingeleitet wurde.
In dieses überaus vielgestaltige Referenzgewebe wurden gegenwärtige Künstlerinnen und Künstler eingeladen, ihre Sicht der Dinge im Sinne von Anmerkungen, eben „Notes on the Collection“, zu artikulieren. Die Basis dafür bildete der Schweizer Künstler Franz Gertsch (*1930), der dem Haus seit langer Zeit eng verbunden ist und der jetzt mit dem fulminanten Zyklus der „Jahreszeiten“ (2007-2011) in Erscheinung tritt. Diese vierteilige malerische Meditation über Werden und Vergehen definierte den enormen Raum der sogenannten Wandelhalle eindringlich und fungierte zugleich als geistiger Spiegel der Veränderungen der Natur vor den Fenstern im Park.
Der amerikanische Künstler Jack Pierson (*1960) ist einem internationalen Publikum gut durch seine „word pieces“ bekannt, Wortskulpturen aus gefundenen Buchstaben des öffentlichen Raumes, mit denen er Sentenzen formt, die sich mit emotionaler Dringlichkeit im Bewusstsein des Betrachters behaupten. Für das Museum Kurhaus Kleve hat er eine Trias entworfen, die sich aus den Aussagen „False Gods“, „A Dead Soldier“ und „His Eye is on the Sparrow“ bildete und sowohl tagespolitische als auch religiös-philosophische Sinnfragen assoziierte.
Der lange als „Fallensteller“ bekannte Künstler Andreas Slominski (*1959) war mit drei großformatigen „Garagen-Bildern“ vertreten, die voller Hintersinn die Mechanismen bildlicher Repräsentation befragten. Im gleichrangigen Nebeneinander applizierter Hinweise, Signets und Schilder wurde zum einen die Botschaftslosigkeit heutiger Kunst scheinbar eins zu eins vor Augen geführt. Zum anderen spielte Slominski mit dem hehren Anspruch der ungegenständlichen Malerei, erklärte mehr oder weniger banale Tore zum Bildträger oder zum Bild selbst und lockte so den Betrachter wiederum in eine reflexiv um sich selbst kreisende Wahrnehmungsfalle.
Im doppelgeschossigen Raum der oberen Etage verstärkten die gewebten Medien-Tapisserien von Margret Eicher (*1955) ganz bewusst die Zweifel an jeglicher Bild-Realität. Die tradierten Muster höfischer Darstellung nutzte sie dabei wie eine Folie, die mit zeitgenössischen Inhalten gefüllt wurde und piktoriale Sequenzen des kollektiven Bewusstseins an die Ehrbarkeit des Gobelins band. Ob dabei Vermeers „Lob der Malkunst“ oder Lifestyle-Diven die Vorlage bilden, war hier nicht mehr wichtig; was zählte, war digitale Ekstase.
Der in Brüssel lebende Künstler Yves Zurstrassen (*1956) hingegen ist ein bekennender Verfechter analoger Malerei. In seinen „Pattern Paintings“ schichtete er diverse Referenzsysteme der ornamentalen, der gestischen und der geometrischen Abstraktion übereinander und strukturiert sie durch Raster, Punkte und Sterne. Die so entstehenden bildlichen Hybride zeichnen sich gleichermaßen durch eine hohe sinnliche Qualität der Oberflächen wie durch das Aufscheinen der zugrundeliegenden Paradigmen aus.
Auch der bei Berlin lebende Künstler Anton Henning (*1964) verstand sich als Vollblutmaler und läuterte zugleich die Wucht dieser Bestimmung durch die Adaption historischer Sujets und Stimmungen. In der zitierten Manier des 19. Jahrhunderts buchstabierte er die Gattungen des Stilllebens, des Interieurs oder des Akts nach und verband sie zu komplexen Rauminstallationen voll synästhetischer Empfindungen. Im Wechselspiel von dunkler Wand und selbstleuchtenden Bild-Objekten hat er für das Museum Kurhaus Kleve einen hochenergetischen Raum geschaffen, der die Kur-Klischees der Salonmalerei selbstbewusst unter Strom setzt.
Der in Rees lebende Bildhauer Thomas Kühnapfel (*1966) verband zwei Elemente, die gemeinhin als unvereinbar gelten: Stahl und Luft. Mit Hilfe von enormem pneumatischem Druck brachte er verschweißte Stahlplatten zu überraschender skulpturaler Entfaltung und lotete dabei das Potential von Prozess und Ergebnis, von Planbarkeit und Eigendynamik in spannungsvoller Konzentration aus. Im neuen Innenhof zwischen dem Katharina von Kleve-Saal und dem Joseph Beuys-Westflügel errichtete er auf diese Weise seine „Rising Sculpture Big in Japan (Tom Waits)“. Die damit vollzogene Intervention in eine neu geordnete Sammlung verband als geistige Grundhaltung alle der geladenen Künstlerinnen und Künstler und verlieh der musealen „Grundlagenforschung“ die notwendigen Schübe an Intensität und Aktualität.
David Novros (1941 geboren in Los Angeles, lebt und arbeitet in New York) gilt als wesentlicher Vertreter einer genuin nordamerikanischen Malerei. Zu Beginn der 1970er
Jahre international bekannt geworden im Umfeld von Protagonisten der Minimal Art, beispielsweise Carl Andre und Donald Judd, steht er in einer Linie mit Malern wie Robert Mangold und Brice Marden, dessen Retrospektive der Druckgraphik 2009 im Museum Kurhaus Kleve noch vielen Besuchern in guter Erinnerung sein wird.
In Kooperation mit dem Museum Wiesbaden richtete das Museum Kurhaus Kleve David Novros nun die erste museale Einzelausstellung in Europa aus. Im Mittelpunkt standen Schlüsselwerke von teils imponierendem Format aus den 1960er und 1970er Jahren – aus jener Zeit also, in der Novros seinen eigenen künstlerischen Weg fand und mit Entschiedenheit verfolgte.
Von besonderer Bedeutung ist dabei die Kooperation mit Donald Judd, für dessen Wohn- und Atelierhaus in New York er 1969/70 ein großes Fresko schuf. Diese erste Arbeit in situ war prägend für sein Verständnis von Malerei: Seiner Überzeugung nach muss sie sich mit dem Ort ihrer Präsentation verbinden, ja selbst einen eigenen Ort schaffen.
Zur Ausstellung erschien ein Katalog.
16.03.–14.09.2014
Das singuläre Werk des konzeptuellen Realisten Franz Gertsch (geboren 1930 im Kanton Bern, Schweiz) bildet seit vielen Jahren einen konzentrierten Gegenentwurf zur Schnelllebigkeit unserer Zeit und ist in der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve mit der Arbeit „Silvia II“ (2000) sowie weiteren großformatigen Holzschnitten prominent vertreten.
Gleichwohl war es eine besondere Freude, dass 2014 auch sein großartiger Zyklus der „Jahreszeiten“ (2008-2011) in Kleve gezeigt werden konnte, der weithin als Summe seiner künstlerischen Erfahrungen wahrgenommen wird und schon heute als sein malerisches Vermächtnis gilt.
Die vier großformatigen Arbeiten (je 325 x 480 / 490 cm) veranschaulichen anhand eines scheinbar immer gleichen Naturausschnitts sowohl die stupende Wandelbarkeit der sichtbaren Wirklichkeit als auch die Sinnfragen menschlicher Konditionierung, die seit jeher und immer wieder neu verhandelt werden müssen.
Zur Ausstellung erschien eine Edition.
Der amerikanische Künstler Llyn Foulkes (geb. 1934 in Yakima, Washington) zählt zu den bemerkenswertesten Entdeckungen der letzten documenta. Das Museum Kurhaus Kleve zeigte als erstes Museum in Europa eine umfassende Retrospektive seines Werks mit ca. 100 Arbeiten von den frühen 1960er Jahren bis heute. Ein besonderer Akzent lag dabei auf der Wechselwirkung von bildender Kunst und experimenteller Musik.
Llyn Foulkes ist eine Schlüsselfigur in der Kunstszene der amerikanischen Westküste und hat ein so faszinierendes wie sperriges Oeuvre geschaffen. Es setzt in den frühen 1950er Jahren ein mit surrealistisch anmutenden Malereien und führt über Combine Paintings und Assemblagen (ab etwa 1959) und die verstörenden Porträts der 1970er Jahre zu den gesellschafts- und konsumkritischen Arbeiten der letzten Jahrzehnte, die gleichermaßen als Gemälde und Materialbilder angesprochen werden können. In ihnen thematisiert er die Schattenseiten des „American Way of Life“ mit seinem bedingungslosen Streben nach individuellem Glück und materiellem Wohlstand.
Seit 1979 baut Foulkes an einer gigantischen Sound-Maschine aus Trommeln, Pfeifen, Hörnern und Bässen aller Art („The Machine“), die immer komplexer wird, ohne jemals fertig werden zu können – Sinnbild eines Werkprozesses, für den das Infinito konstitutiv und Musik ein entscheidendes Movens ist. Noch im Rahmen der documenta 13 hat Foulkes selbst einen seiner berühmten Auftritte mit diesem monströsen Instrument absolviert.
Das Museum Kurhaus Kleve antwortete auf die musikalische Seite seines Schaffens mit einer Veranstaltungsreihe zu zeitgenössischer experimenteller Musik.
Die Ausstellung war zu sehen im Hammer Museum, Los Angeles, und im New Museum, New York. Zur Ausstellung sind ein englischer Katalog und ein deutsches Booklet erschienen.
1453 wurde von der Klever Herzogfamilie in Kalkar ein Dominikanerkloster gestiftet, in dem etwa zehn Dominikanermönche lebten und predigten. In der Klosterkirche befanden sich bedeutende Kunstwerke, das Kloster besaß eine große Bibliothek.
Nach der Säkularisierung 1802 wurden Klosterkirche und die meisten Klostergebäude abgerissen, die Kunstwerke über die Kirchen der Region verteilt. Heute erinnern nur noch die vor einigen Jahren restaurierte Mauer des Klosterbongerts und der ehemalige Fischteich an das frühere Kloster.Der Dominikaner Bongert in Kalkar wird heute als Obstwiese genutzt
In einer groß angelegten Ausstellung wurde das kostbare Erbe der Dominikaner in Kalkar sichtbar gemacht und ihr verdienstvolles Wirken in Erinnerung gebracht. Im Zuge der Ausstellung kehrten bedeutende Kunstwerke aus dem ehemaligen Dominikanerkloster nach Kalkar zurück.
Zu sehen war die Ausstellung im Nordschiff der St.-Nicolaikirche, die selbst auch zahlreiche Kunstwerke aus dem Dominikanerkloster bewahrt.
Zur Ausstellung ist ein Katalog mit Beiträgen von Prof. Dr. F.G.L. van der Meer, Prof. Dr. Jutta Prieur-Pohl, Dr. Reinhard Karrenbrock, Guido de Werd und Gerard Lemmens erschienen.
Weitere Informationen sind unter www.dominikaner-kalkar.de erhältlich.
In einer thematischen Gruppenausstellung vereinte das Museum Kurhaus Kleve Werke von insgesamt elf Vertreter*innen der internationalen Gegenwartskunst: Saâdane Afif, Edgar Arceneaux, Birgit Brenner, Lutz Dammbeck, Sam Durant, Ian Hamilton Finlay, Michael Kunze, Atelier van Lieshout, Olaf Nicolai, Tejal Shah und Artur Żmijewski.
Der Titel der Ausstellung, „The Present Order is the Disorder of the Future“, bezog sich auf einen Ausspruch des französischen Revolutionärs und Schriftstellers Saint-Just – ein Bekenntnis zur Veränderbarkeit gesellschaftlicher Verhältnisse, in dem auch das Risiko aller Utopien aufscheint: die Gefahr, dass Tugend in Terror umschlägt und alte Machtstrukturen von neuen abgelöst werden.
Die Künstler*innen der Ausstellung thematisieren diese Spannung zwischen Vision und Wirklichkeit mit den Mitteln und den Medien unserer Zeit – offen in ihren Urteilen und Referenzen. Gleichsam die Basis lieferte dabei eine Arbeit des schottischen Konzeptkünstlers Ian Hamilton Finlay, die das Zitat von Saint-Just in Stein gemeißelt zeigte.
Zur Ausstellung erschien eine Publikation.
Am 9. September 2012 eröffnete das erweiterte Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung seine Türen für das Publikum. Erstmals zu erleben war dabei nicht nur ein neuer Museumsteil, das restaurierte sog. „Friedrich-Wilhelm-Bad“ mit dem Atelier von Joseph Beuys, sondern auch die Sammlung des Museum Kurhaus Kleve in allen ihren Facetten. Die Eröffnungsausstellung trug den Titel „Mein Rasierspiegel“ und umfasste Meisterwerke vom Mittelalter bis zur Gegenwart.
Das Museum Kurhaus Kleve wurde im April 1997 eröffnet und hat sich seitdem zu einer der ersten Adressen für moderne und zeitgenössische Kunst in Nordrhein-Westfalen entwickelt. Zweimal wurde es von der deutschen Sektion der AICA ausgezeichnet: 2004 als „Museum des Jahres“ und 2011 für die Ausstellung von Carl Andre 2011. Es ist untergebracht im ehemaligen Kurhaus der Stadt Kleve, einem klassizistischen Gebäudekomplex aus dem 19. Jahrhundert.
In einem ersten Bauabschnitt wurden zwischen 1992 und 1996 die beiden jüngeren Kompartimente des historischen Kurhauses, das frühere Badhotel und die Wandelhalle (1871-73), museal nutzbar gemacht. Der zweite Bauabschnitt integriert mit dem Friedrich-Wilhelm-Bad nun endlich auch den ältesten, 1845-46 errichteten, Gebäudeteil und bedeutet im eigentlichen Sinn die Vollendung des Museums.
Das Museum Kurhaus Kleve erhielt rund ca. 700 m² Ausstellungsfläche hinzu, und zwar v.a. innerhalb des denkmalgeschützten Bestandes. Wesentliche Elemente der ursprünglichen Architektur konnten erhalten oder rekonstruiert werden. Wichtige Zugewinne sind der spektakuläre acht Meter hohe Katharina von Kleve-Saal, der das bisherige Museum organisch mit dem neuen Teil verklammert, sowie ein unterirdisches Graphikkabinett. Wie schon beim ersten Bauabschnitt zeichnete auch diesmal Prof. Walter Nikkels als Entwerfer für die Architektur verantwortlich. Realisiert wurde die Baumaßnahme von der Planungsgemeinschaft Museum Kurhaus Kleve – Prof. Walter Nikkels, Dieter Willinek, Ingrid van Hüllen.
Als besonderer Glücksfall muss gelten, dass das neu zu eröffnende Friedrich-Wilhelm-Bad jene Räume birgt, die Joseph Beuys in einer entscheidenden Phase seines Lebens und Schaffens als Atelier dienten. Das Museum Kurhaus Kleve ist damit das einzige Museum für moderne und zeitgenössische Kunst weltweit, das in seinen Mauern mit den authentischen Atelierräumen einer für die Kunst des 20. Jahrhunderts derart zentralen Persönlichkeit aufwarten kann.
Nach seiner tiefen Krise Mitte der 1950er Jahre erfand Beuys sich in seinem Klever Atelier als Künstler neu. Hier legte er zwischen 1957 und 1964 den Grundstein für seine spätere Weltgeltung. Nach der Auflösung von Wohnung und Arbeitsplatz am Düsseldorfer Drakeplatz sind die Räume im Friedrich-Wilhelm-Bad (abgesehen von der Kunstakademie Düsseldorf) die letzte authentische Wirkungsstätte von Joseph Beuys, die in Nordrhein-Westfalen überhaupt noch existiert und öffentlich zugänglich ist.
Die Sammlungspräsentation „Mein Rasierspiegel“ wurde kuratiert vom früheren Leiter und jetzigen Senior Kurator des Klever Museums, Drs. Guido de Werd, der damit die Bilanz seiner vierzigjährigen Arbeit vor Ort zog. Die Ausstellung umfasste sämtliche Säle des Museum Kurhaus Kleve und präsentierte zum ersten Mal überhaupt alle Aspekte der facettenreichen Bestände, beginnend mit der Skulptur des Mittelalters über den Barock und die große Zeit der Gartenkunst in Kleve, die Graphiksammlung Robert Angerhausen und das Kunsthandwerk bis hin zur Kunst der Moderne und der Gegenwart mit den beiden Schlüsselfiguren Ewald Mataré und Joseph Beuys.
2012 jährte sich am 3. Januar der 100. Geburtstag von Josefa Ortmann, die als Bühnenschauspielerin am „Theater am Niederrhein“ zu einer der prägenden weiblichen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts in Kleve gehörte. Aus diesem Anlass zeigte das B.C. Koekkoek-Haus eine Ausstellung mit rund 70 ausgewählten schwarz-weiß Photographien von ihren Anfängen in den 1940er Jahren bis zum Abschluss ihrer Bühnenkarriere Ende der 1960er.
Die Ausstellung wurde vorbereitet durch den Theaterkenner und langjährigen Vertrauten von Josefa Ortmann, Herrn Eduard Wirths. Das Theater am Niederrhein wurde 1947 im vom Zweiten Weltkrieg stark zerstörten Kleve gegründet und trug schon in frühen Jahren wesentlich zum kulturellen Leben der Stadt bei.
Josefa Ortmann, die 1912 in Bielefeld geboren wurde und bereits 1935 am Rose-Theater in Berlin spielte, erhielt in Kleve 1948/49 ein festes Engagement. Achtzehn Jahre lang war sie festes Mitglied des Theaters am Niederrhein. Als sie 1966 ihre Karriere aufgab, konnte sie auf über 140 Bühnenrollen zurückblicken. Darunter waren Stücke wie „Hamlet“, „ Maria Stuart“, „Tod eines Handlungsreisenden“ oder „Woyzeck“, in denen sie zahlreiche Hauptrollen verkörpert hatte.
Das Theater am Niederrhein hatte unter der Ära von Josefa Ortmann, die eines seiner längsten Mitglieder war, seine Blütezeit. Nach der Fertigstellung des Klever Burgtheaters 1950 nahm es eine feste Stellung in Kleve ein. Das Theater bot den Luxus von Umkleideräumen für die Schauspieler sowie sehr gute Probemöglichkeiten auf der Bühne. Im Laufe der 1950er und 60er Jahre wurde das Burgtheater mit seinen monatlichen Vorstellungen immer mehr zum Treffpunkt für Kulturinteressierte in Kleve und Umgebung. Rückblickend gilt diese Zeit als die „große Klever Theaterzeit“.
1975 wurde das Theater am Niederrhein aufgelöst. Josefa Ortmann starb 1981 im Alter von 69 Jahren. Sie war verheiratet mit Fritz Getlinger, der auch der Photograph des Theaters am Niederrhein war und Josefa Ortmann in ihren zahlreichen Theaterrollen dokumentiert hat. Diese Bilder stellen den Kern der Ausstellung dar.
Eduard Wirths, Klever Theaterkenner und Buchautor, erinnerte sich: „Als Mitglied des Fördervereins kannte ich sie als eine sehr engagierte Frau, die sich als Vertrauensdame für das Ensemble einsetzte. Sie spielte große klassische Rollen genauso überzeugend wie Marketenderinnen und Kupplerinnen.“
Tochter Katharina wusste zu erzählen: „Jede Rolle wollte sie ganz ausfüllen, und war sie auch noch so klein. Als sie in ‚Die kluge Anna‘ als klevische Hofdame nur den einen Satz sprechen musste: ‚Ek woll, ek was allweer in Kleef‘, übte sie diesen solange mit einem Klever Platt sprechenden Bühnentechniker, bis sie ihn beherrschte. Am Premierenabend hatte sie die Lacher natürlich auf ihrer Seite.“
Am 5. April 2012 jährt sich der Todestag des großen romantischen Landschaftsmalers der Niederlande, Barend Cornelis Koekkoek (Middelburg 1803-1862 Kleve), zum 150. Mal. Aus diesem Anlass widmete das Museum B.C. Koekkoek-Haus seinem berühmten Namensgeber eine Ausstellung mit Gemälden aus seiner Sammlung und einzelnen repräsentativen Leihgaben aus niederländischem Besitz, die einen umfassenden Überblick über das künstlerische Wirken Koekkoeks geben.
Die Ausstellung mit rund 150 Arbeiten war der Beginn des großen Koekkoek-Jahres 2012, das im Herbst mit „Gemalt für den König - B.C. Koekkoek und die Luxemburgische Landschaft“ seinen Höhepunkt erreichte. Die Ausstellung „B.C. Koekkoek - Im Kreis der Romantik“ wurde über alle drei Stockwerke des Gebäudes präsentiert, das nach einer ca. einmonatigen Renovierungs- und Umbauphase in neuem Glanz erstrahlt.
Von B.C. Koekkoek selbst waren u.a. das „Porträt einer jungen Dame“ (die so genannte „Mona Lisa von Kleve“ von 1846) als auch „Die große Buche vor Schloss Moyland“ (1840) zu sehen. Sein Gemälde „Der Sturm“ (1843) vermittelte imposant romantisches Lebensgefühl, indem es alltägliche Beschaulichkeit neben plötzlich aufkommender Gefahr zeigte.
Neben den Gemälden des „Prinzen der Landschaftsmaler“ B.C. Koekkoek persönlich waren auch die Werke seiner Familienmitglieder und Schüler zu sehen. Ausgestellt waren u.a. Marinebilder von Johannes Hermanus (dem Vater des B.C. Koekkoek) und Hermanus sr. und jr. (dem Bruder und Neffen des B.C.), Porträts der Familie Koekkoek - von Koekkoeks Mutter Anna über seinen Schwiegervater Jean Augustin Daiwaille bis hin zu seiner Gemahlin Elise Therérèse - als auch Landschaftsansichten seines Bruders Marinus Adrianus.
Als Arbeiten seiner Schüler sind besonders die Gemälde des Johann B. Klombeck als auch die des Johannes Tavenraat hervorzuheben. Klombeck galt als Meisterschüler Koekkoeks, der seinen Stil auch nach dessen Tod eindrucksvoll weitergeführt hat. Die Werke von Tavenraat entsprachen am wenigstens denen seines Lehrers. Er hat sich am schnellsten von ihm gelöst und eine eigenständige, beinahe an William Turner erinnernde Bildsprache entwickelt. Ihm waren mehrere Säle gewidmet, u.a. ein ganzer Raum mit Vanitas-Darstellungen, die sich mit der Vergänglichkeit des Lebens befassten.
Das B.C. Koekkoek-Haus bildet den idealen Standort, um den berühmten Landschaftsmaler zu würdigen. Koekkoek selbst, der 1834 als junger und begabter Künstler wegen der reizvollen Lage der Kurstadt nach Kleve übersiedelte, ließ sich das Gebäude in den 1840er Jahren als Wohnpalais errichten. Er erlangte in Kleve bereits zu Lebzeiten internationalen Ruhm. Seine Werke wurden von allen großen Sammlern des 19. Jahrhunderts, vom russischen Zaren, vom niederländischen und preußischen König und von vielen Privatsammlern in den Niederlanden, Frankreich, Belgien und Deutschland, erworben.
2012 jährte sich der Todestag des Malers Raimund Girke zum zehnten Mal. Aus diesem Anlass bereitete das Museum Kurhaus Kleve eine umfangreiche, insgesamt rund 40 Arbeiten umfassende Präsentation vor, die Girkes bedeutenden Beitrag zur deutschen Malerei nach 1945 würdigte. Sie schlug einen Bogen vom selten gezeigten Frühwerk ab 1953 über die 1970er Jahre, in denen Raimund Girke als Teilnehmer der documenta 6 zu Ruhm kommt, bis zum Spätwerk, das zugleich einen neuen Aufbruch bedeutete.
Im Museum Kurhaus Kleve setzte die Ausstellung eine Linie des Programms fort, die der konkreten und analytischen Malerei in Europa gewidmet ist. In diesem Rahmen wurden bisher Einzelausstellungen u.a. von Alan Charlton, Niele Toroni, Jan Andriesse und Ulrich Erben gezeigt.
Raimund Girke wurde 1930 in Heinzendorf / Niederschlesien geboren und ist 2002 in Köln gestorben. Seine Ausbildung erhielt er an der Werkkunstschule Hannover und, in den Jahren 1952-56, an der Kunstakademie Düsseldorf, wo er zu den Schülern von Georg Meistermann zählte. 1966-71 wirkte er als Dozent an der Werkkunstschule Hannover und 1971-96 als Professor an der Hochschule der Künste in Berlin. Seine Malerei ist in zahllosen Einzel- und Gruppenausstellungen in bedeutenden Museen in ganz Europa gezeigt worden. 1995 wurde er mit dem Lovis-Corinth-Preis und 2002 mit dem Niedersächsischen Kunstpreis ausgezeichnet.
Girkes Oeuvre ist, wenn man es als Ganzes überblickt, von stupender Schlüssigkeit. Bewusst sich abgrenzend von den während seines Studiums tonangebenden Strömungen des Informel bzw. Tachismus, fand er noch im Verlauf der 1950er Jahre zu einem Bildkonzept, an dem er sein Leben lang festhielt. Seine Malerei, so radikal sie in ihrem völligen Verzicht auf jedes gegenständliche Motiv auch anmuten mag, fußt auf der großen europäischen Tradition des Tafelbildes: Für ihn war ein Gemälde kein Objekt, sondern im eigentlichen Sinn ein visuelles Ereignis, das sich der Arbeit mit Pinsel und Farbe verdankte. Seine Bilder zeichnen sich aus durch ihren ruhigen Rhythmus und klare Struktur. Eine gleichmäßige Pinselschrift zeugt von höchster Konzentration einerseits und größter Gelassenheit andererseits. Eine Schlüsselfunktion in Girkes Schaffen hat die Farbe Weiß – als Inbegriff von Einfachheit, Licht und Stille.
Erstmals in Deutschland zeigte das Museum Kurhaus Kleve in großem Umfang eine neue Werkgruppe von Jannis Kounellis: großformatige Arbeiten mit Teer auf Leinwand und Stahl. Es ist die erste museale Einzelausstellung dieses führenden Vertreters der Arte Povera in Nordrhein-Westfalen seit 1997 gewesen. Kurator der Ausstellung ist Rudi Fuchs.
Kounellis’ neue Arbeiten zeigten eine ausgeprägt skulpturale Auffassung von Malerei. Es handelte sich um Bilder, die ohne Pinsel und ohne die Möglichkeit von Korrekturen geschaffen wurden. Ein Mantel wurde in Teer getaucht und dann auf große Büttenpapiere oder auf Leinwände, die auf Stahlrahmen aufgezogen sind, gedrückt. Der einzigartige Abdruck, der zurückbleibt, wenn der Mantel wieder abgenommen wurde, ist gleichermaßen Zeugnis einer unmittelbar physischen Handlung wie einer geistigen Haltung.
Mit der Werkgruppe der Teerbilder schlug Kounellis einerseits ein neues Kapitel seiner Kunst auf, andererseits fasste er mit ihr wesentliche Aspekte seines früheren Schaffens zusammen. Dies wurde in der Ausstellung dadurch unterstrichen, dass den jüngsten Arbeiten eine Auswahl älterer Werke gegenübergestellt wurde: neben einem Zahlen- und Ziffernbild aus dem Jahr 1959 Inkunabeln seines Oeuvres wie „Senza Titolo (Cotoniera)“ und „Senza Titolo (Carboniera)“, beide 1967.
Jannis Kounellis wurde 1936 in Piräus / Griechenland geboren und lebte und arbeitete seit 1956 in Rom, wo er an der Accademia di Belli Arti studierte. Von 1993 bis 2001 war er Professor an der Kunstakademie Düsseldorf. Er galt als Mitbegründer der Arte Povera, einer Kunstrichtung, die sich alltäglicher Materialien wie Erde, Holz, Wolle, Glas oder Kohle bedient. Kounellis nutzte diese „armen“ Materialien und schaffte damit Bilder, Objekte oder vielteilige Installationen.
Die Ausstellung von Jannis Kounellis im Museum Kurhaus Kleve setzte die Linie von Präsentationen zur italienischen Arte Povera fort, die bisher Einzelausstellungen von Mario Merz (2001), Giovanni Anselmo (2004) und Giuseppe Penone (2006) umfasste.
Ein großes Ausstellungs-Highlight war im Herbst und Winter 2011 / 2012 im B.C. Koekkoek-Haus zu sehen: Nach der Eremitage in St. Petersburg, dem Gemeentemuseum in Den Haag und dem Museum M in Leuven zeigte das B.C. Koekkoek-Haus in Kleve „Ein romantischer Blick / A Romantic View. Die Sammlung Rademakers“.
Die Ausstellung der Sammlung Rademakers in der Eremitage in St. Petersburg war auf eine große Resonanz in den Medien und beim Publikum gestoßen. Die Präsentation in den Sälen neben den Schauräumen für Picasso und Kandinsky, oberhalb des Rembrandt-Traktes, bedeutete für die niederländische und belgische romantische Malerei eine internationale Anerkennung, die ihr bis heute vorenthalten war. Rund 100.000 Besucher haben „A Romantic View“ in St. Petersburg gesehen. Damit ist die Ausstellung zur erfolgreichsten Präsentation niederländischer Romantik überhaupt geworden. Der russischsprachige Katalog hat sich bereits zum Standardwerk der niederländischen Romantik entwickelt.
Im B.C. Koekkoek-Haus in Kleve, dem der Sammler Jef Rademakers seit langem verbunden ist, wurden die Gemälde romantischer Meister bis 26.02.2012 gezeigt. Das 1845 errichtete B.C. Koekkoek-Haus war „die“ Residenz des größten holländischen Landschaftsmalers der Romantik, Barend Cornelis Koekkoek (1803-1862), der in Kleve zahlreiche Zeitgenossen um sich versammelte. Werke vieler dieser Künstler sind in der Sammlung Rademakers vertreten.
Seit mehr als zwanzig Jahren sammelte der frühere niederländische Fernsehproduzent Jef Rademakers – der u.a. für das Format „Klassentreffen“ bekannt ist – mit großer Leidenschaft niederländische und flämische Gemälde der Hochromantik. Er besaß über hundert Meisterwerke, darunter Hauptwerke von Barend Cornelis Koekkoek, Johann Bernard Klombeck, Johannes Theodor Abels, Petrus van Schendel, Louis Meijer, David de Noter, Basile de Loose und Bart van Hove. Mit ihren imposanten Naturansichten, Blumenstillleben, Genrebildern und Porträts vermitteln seine Gemälde einen stimmungsvollen Eindruck romantischen Lebensgefühls. Jef Rademakers war der Überzeugung, dass die Werke niederländischer und belgischer Romantik denen der deutschen und französischen ebenbürtig sind. Somit betrachtete er seine Sammelleidenschaft als einen Beitrag zur Rehabilitation einer längst vergessenen Epoche.
Die Romantik gilt als Beginn einer neuen Geisteshaltung, die den Alltag poetisch überhöht und mit dem Sinnlichen verbindet. Allgemein sind es vor allem die großen englischen, französischen und deutschen Maler wie William Turner, Eugène Delacroix und Caspar David Friedrich, an die man denkt, wenn über Romantik gesprochen wird.
Die Ausstellung „Ein romantischer Blick / A Romantic View“ zeigte, dass die niederländischen und belgischen Maler großartige und qualitativ hochwertige Gemälde geschaffen haben, die lange Zeit in Vergessenheit geraten waren und wieder in den Fokus der Öffentlichkeit rücken. Die Reaktion des Publikums in St. Petersburg bewies, dass ihre Malerei – auch wenn sie in der Dramatik ihrer Darstellungen oft nicht an sie hereinreicht – einen selbständigen Platz neben der der englischen, französischen und deutschen Romantiker hat.
Der Amerikaner Carl Andre gehört zu den inzwischen legendären Begründern der Minimal Art. Mit seinem so radikalen wie konsequenten Werk hat er entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der Kunst im 20. Jahrhundert ausgeübt und den Begriff von Skulptur revolutioniert. 2011 wurde Carl Andre mit dem Roswitha Haftmann-Preis ausgezeichnet, einem der renommiertesten Kunstpreise Europas. Zur gleichen Zeit widmete das Museum Kurhaus Kleve ihm eine Ausstellung, die einen Bogen von den 1960er Jahren bis in die Gegenwart schlug und so einen tiefen Einblick in die Intentionen seiner Arbeit vermittelte. Es handelt sich um Andres erste Einzelausstellung in einem deutschen Museum seit 15 Jahren.
Carl Andre wurde 1935 in Quincy / Massachusetts geboren und lebt und arbeitet in New York. Seit 1960 hat er ein umfangreiches skulpturales Werk geschaffen, das auf nur wenigen geo- bzw. stereometrischen Grundformen basierte, aber eine schier unüberschaubare Fülle an Materialien umfasste. Er verwendete schlichte Holzbalken ebenso wie Werkstoffe der Industrie – Stahl, Kupfer oder Aluminium, Kalksandstein, Gasbeton oder Graphit. Berühmt sind seine Bodenskulpturen, die auf äußerst diskrete Weise Orte markieren und Felder ausgrenzen und dabei die jeweils über ihnen liegenden Leerräume aktivieren. Eine eigene Familie von Werken deklinierte archaische Grundsätze der Architektur durch, demonstrierte etwa das Prinzip von Tragen und Lasten.
Wieder andere Arbeiten wirkten überaus dynamisch, verdankten ihre jeweilige Form dem Zufall – etwa dem lockeren Ausstreuen ihrer Bestandteile – oder den Kräften und Spannungen innerhalb des Materials selbst. Stets jedoch waren Carl Andres Werke im strengen Sinn des Wortes elementar, denn sie repräsentieren den äußersten Grad an Klarheit und Einfachheit. Und immer wieder überraschten sie durch neue räumliche Lösungen.
„Meine Arbeiten“, sagte der Künstler, „sind in der Welt konzipiert. Für mich nehmen sie ihren Anfang in der Welt, und die Welt ist voller unterschiedlicher Arten von Räumen, unterschiedlicher Kategorien von Räumen“.
Dem skulpturalen Werk korrespondierten die Textarbeiten, die in der Ausstellung eine zentrale Rolle spielten: Aus einzelnen Wörtern, geschrieben in Blockbuchstaben oder getippt auf der Schreibmaschine, entstanden auf dem weißen Grund des Papiers Felder und autonome geometrisch wirkende Strukturen, gleichsam Orte des Verweilens für den Geist.
Mit der Ausstellung von Carl Andre entwickelte das Museum Kurhaus Kleve konsequent eine Linie seines Programms weiter, die international hochrangige Vertreter*innen minimalistischer und konzeptueller Strömungen in der zeitgenössischen Kunst würdigte – eine Linie, in der bisher Ausstellungen etwa von Richard Long, Niele Toroni, On Kawara, Giovanni Anselmo, Alan Charlton und Ettore Spalletti realisiert werden konnten. Zugleich führte es eine Reihe von Präsentationen herausragender amerikanischer Künstler fort, die u.a. Richard Serra, Mark Tansey, Robert Indiana, Alex Katz und Brice Marden umfasste.
Konrad Fischer (1939-1996) hat mit seiner 1967 in Düsseldorf eröffneten Galerie Kunstgeschichte geschrieben. Die „Ausstellungen bei Konrad Fischer“ zeigten immer die wegweisenden Positionen der Gegenwartskunst. Zahlreiche Künstler, die heute Weltgeltung besitzen, haben dort ihre erste Einzelausstellung realisieren können oder ihr Europadebüt erlebt, so etwa Carl Andre und Richard Long. Insbesondere um die Vermittlung der minimalistischen und konzeptuellen Kunst hat Konrad Fischer sich verdient gemacht, aber auch Künstler*innen jüngerer Generationen wie Thomas Schütte oder Gregor Schneider verdanken ihm viel. Seit seinem frühen Tod führt seine Frau Dorothee Fischer die Galerie allein weiter.
Erstmals wurde mit dieser Ausstellung ein zentrales Kapitel der Kunstgeschichte des Rheinlands im 20. Jahrhundert beleuchtet. Sie zeigte die einzigartige Lebensleistung von Konrad Fischer anhand der Sammlung, die er gemeinsam mit seiner Frau parallel zur Galeriearbeit aufgebaut hat.
Sie ist in ihrer Gesamtheit bisher kaum bekannt und umfasst eindrucksvolle Werkgruppen hochrangiger internationaler Künstler*innen, u.a. von Carl Andre, Bernd und Hilla Becher, On Kawara, Richard Long, Sol LeWitt, Mario Merz, Bruce Nauman, Robert Ryman, Gregor Schneider und Thomas Schütte.
Die erste geschlossene Präsentation dieser Sammlung machte unmittelbar deutlich, in welchem Maße Dorothee und Konrad Fischer die Entwicklung der Kunst seit den 1960er Jahren nicht nur begleitet, sondern auch gefördert und beeinflusst haben. Darüber hinaus wurde in der Ausstellung Konrad Fischers Arbeit als freier Kurator sowie als Künstler (unter dem Namen Konrad Lueg) gewürdigt.
Die Ausstellung wurde organisiert vom Museu d’Art Contemporani de Barcelona und vom Museum Kurhaus Kleve.
Eine repräsentative Auswahl von Exlibris und Kleingraphik aus der ehemaligen Sammlung Hanns Max Hirsch war im B.C. Koekkoek-Haus Kleve ausgestellt. Zu sehen waren etwa 150 Arbeiten wichtiger Zeichner und Graphiker aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, darunter Otto Dix, Michel Fingesten, Georg Erler, Alois Kolb und Heinrich Zille. Mit ihren teils humoristischen, teils ernsthaften Motiven vermitteln die überwiegend kleinformatigen Blätter einen komplexen Eindruck von der Gesellschaft und dem Lebensmilieu der Auftraggeber und Sammler in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Hanns Max Hirsch (Lebensdaten unbekannt) war ein einflussreicher Graphiksammler. Bis in die 1930er Jahre arbeitete er als Verkaufsleiter beim Maschinenbauunternehmen „Orenstein & Koppel“ in Berlin. Seine Sammlung spiegelte sein Umfeld und die Berliner Gesellschaft im Allgemeinen wider: Neben zahlreichen Exlibris mit den Namen der Bucheigner*innen waren u.a. Reklameblätter, Einladungskarten, Menüpläne und Glückwunschkarten zu Neujahr, der Kindergeburt oder dem Geburtstagsjubiläum zu finden. Die Bandbreite der Motive reichte von konservativen über mythologische bis zu erotischen Darstellungen. Es gab berufsbezogene Exlibris für zum Beispiel Ärzte oder Rechtsanwälte, aber auch intime Motive zum privaten Gebrauch. Stilistisch waren bei den nicht selten aufwändig gestalteten Blättern Einflüsse des Expressionismus, des Jugendstils und der Neuen Sachlichkeit zu erkennen.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde „Orenstein & Koppel“ arisiert. Aufgrund seiner jüdischen Wurzeln war Hanns Max Hirsch gezwungen, in die Niederlande zu fliehen, wo er bis zu seinem Tod lebte. Hirschs Kollektion umfasste circa 5.000 Blätter aus den Jahren 1880 bis 1940, darunter Arbeiten von Max Pechstein, Oskar Kokoschka, Käthe Kollwitz, Ernst Barlach und Franz Marc. Die Sammlung wurde 1978 im Amsterdamer Auktionshaus „De Zwaan“ versteigert und aufgelöst.
Die in der Ausstellung im B.C. Koekkoek-Haus gezeigten Blätter trug der niederländische Graphiksammler Dave Desjardijn, bekannt durch seine Publikationen über niederländische Druckgraphik, 1978 und 1994 zusammen. Er katalogisierte und erforschte sie und publizierte sie 2008 im Katalog „ex libris en kleingrafiek 1900 – 1950“.
Der in Düsseldorf, Goch und Bagnoregio (VT) lebende Maler Ulrich Erben, einer der herausragenden Vertreter konkreter Malerei in Deutschland, feierte 2010 seinen 70. Geburtstag. Aus diesem Anlass präsentierte das Klever Museum, das Erbens Schaffen in den letzten Jahrzehnten mit mehreren Ausstellungen begleitet hat, erstmals Arbeiten aus der neuen Werkgruppe „SIRIA“ – großformatige Gemälde, die in den Jahren 2008-10 entstanden sind. In ihren subtilen Farbklängen ist die Erfahrung des Lichts und der Landschaften des Nahen Ostens eingefangen.
Die Werkgruppe „SIRIA“ ging zurück auf eine Reise, die Ulrich Erben 2007 nach Syrien unternahm. Dort empfing er während seiner Fahrten durch die Wüste Eindrücke, die, seinen eigenen Worten zufolge, „über die figürliche Wahrnehmung hinaus“ gingen: Eindrücke, „die durch farbige Phänomene, die mir dort begegnet sind, entstanden sind und zu einem Ausdruck gefunden haben – dieses Zusammenspiel von Farben, Licht, Luft und Stille in einer immer ähnlich gegliederten, sehr monotonen Landschaft“.
Erben fühlt sich ein in feinste Abstufungen, denn auch die vermeintlich leblose Wüste verändert sich unmerklich: „Das geht so langsam wie der kleine Zeiger der Uhr. Da sieht man auch nicht, dass er sich bewegt (…)“. „Man meint immer, das ist dasselbe, aber das ist es natürlich nicht, da die Zeit, durch die man fährt, eine andere ist und somit auch das Licht. Es sind ganz konkrete Lichtbilder, in denen ich versucht habe, mein Erlebnis sichtbar zu machen.“
Entsprungen aus der Begegnung mit einer vermeintlich eintönigen Landschaft und von denkbar einfacher Struktur – in ein Hochformat (230 x 170 cm) ist ein ebenfalls hochformatiges Rechteck eingestellt –, eröffneten die „SIRIA“-Bilder überraschende, die Wahrnehmung fesselnde und bereichernde Erfahrungen von Farbe und Licht. Die Farben sind zu ungewöhnlichen Akkorden geordnet und von einem rätselhaften inneren Vibrieren erfüllt. Die Weite und die Hitze der Wüste wurden unmittelbar anschaulich, fast könnte man meinen, es mit einer Fata Morgana zu tun zu haben.
Den Gemälden der „SIRIA“-Reihe waren ausgewählte Bilder aus anderen Werkgruppen der letzten Jahre zur Seite gestellt, so dass die jüngsten Entwicklungen in Ulrich Erbens Werk nachvollziehbar werden.
Alex Katz gehört seit Jahrzehnten zu den führenden Vertretern der figürlichen Malerei in Amerika. Mit seinen bestechend klaren Bildern ist er zum Chronisten des modernen Lebens in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geworden und hat auf zahllose Künstler*innen jüngerer Generationen weltweit großen Einfluss ausgeübt.
Das Museum Kurhaus Kleve zeigte eine repräsentative Übersicht über das Schaffen von Alex Katz. Sie umfasst mehr als 40 Arbeiten – Gemälde ebenso wie Cut-outs – aus dem Zeitraum 1957 bis 2008 aus europäischen und amerikanischen Sammlungen sowie dem Besitz des Künstlers.
Die Ausstellung „Alex Katz – An American Way of Seeing“ wurde realisiert in Kooperation mit dem Sara Hildén Kunstmuseum, Tampere / Finnland, und dem Musée de Grenoble, Frankreich. Mit ihr setzte das Museum Kurhaus Kleve seine Reihe von Ausstellungen bedeutender amerikanischer Künstler fort, in der bisher u. a. Richard Serra, Mark Tansey, Robert Indiana und Brice Marden gezeigt wurden.
Das Werk von Alex Katz wird bestimmt von Porträts und Gruppenbildern, von Stillleben und Landschaften. Seine farbintensiven, bisweilen elegant wirkenden Bilder zeichnen sich aus durch eine plakative Malweise, die jeden Illusionismus und die Zumutungen des Anekdotischen und der Psychologie strikt zurückweist. Sie sind, wie er selbst sagt, zwar realistisch, aber keineswegs natürlich. Katz reduziert alltägliche Motive auf das Wesentliche und überhöht sie zugleich, nicht selten auf Leinwänden von geradezu monumentalem Format.
Ungeachtet ihrer klaren und fest gefügten Formen vermittelt Katz’ Malerei ein Gefühl von Schnelligkeit und Momenthaftigkeit – ein Indiz der prägenden Wirkung, die der Abstrakte Expressionismus einerseits und der Jazz andererseits auf ihn ausübten. Innovativ und wegweisend ist seine früh begonnene Auseinandersetzung mit den modernen Massenmedien, mit Photographie, Film und Fernsehen sowie mit den Bildstrategien der Werbung.
Alex Katz wurde 1927 in Brooklyn / New York als Sohn russischer Auswanderer geboren. Nach dem Studium an der Cooper Union School in New York und an der Skowhegan School of Painting and Sculpture in Maine zog er 1950 nach Manhattan, wo er in die Kunst- und Musikszene eintaucht, den Cool Jazz von Stan Getz für sich entdeckte und enge Freundschaften mit dem Tanzkritiker Edwin Denby und dem Dichter Frank O’Hara knüpfte.
1954 hatte Katz seine erste Einzelausstellung in New York und erwarb gemeinsam mit Freunden ein kleines Haus in Lincolnville / Maine, wo er bis heute die Sommer verbringt. 1957 malte er sein erstes Porträt von Ada, die im Jahr darauf seine Frau wurde. 1960 wurde Alex Katz’ Sohn Vincent geboren, der seitdem ebenfalls zum Motiv zahlloser Gemälde und Cut-outs geworden ist. 1964 entstehen die ersten vielfigurigen Gesellschaftsbilder. 1977 gestaltete Katz ein Ensemble riesiger Plakattafeln mit Frauenbildnissen für den New Yorker Times Square. 1986 widmete das Whitney Museum of American Art; New York, ihm eine große Retrospektive. 1994 richtete die Cooper Union School einen Alex Katz-Gastlehrstuhl für Malerei ein, und zwei Jahre später wurde der ganz dem Werk von Katz gewidmete Paul J. Schupf Wing im Colby College, Maine, eröffnet.
Das Museum Kurhaus Kleve zeigte eine umfangreiche Ausstellung von Ettore Spalletti, der zu den herausragenden Künstlerpersönlichkeiten Italiens gehörte. Spalletti wurde 1940 in Cappelle sul Tavo / Pescara geboren, wo er bis zu seinem Tod 2019 auch lebte und arbeitete. Er konnte sein Werk in viel beachteten Einzelausstellungen u.a. in Rom, Neapel, Madrid, Paris, Leeds und New York zeigen und ist in zahlreichen bedeutenden Gruppenausstellungen weltweit vertreten gewesen.
Mehrfach hat er an der Biennale von Venedig und zweimal (1982 und 1992) an der documenta teilgenommen. In Deutschland war die Präsentation des Museum Kurhaus Kleve seine erste museale Einzelausstellung seit über 25 Jahren. Eigens für die Säle des Museums hat Spalletti neue Arbeiten geschaffen.
Ettore Spallettis Werk ließ sich ebenso der Malerei wie der Plastik zuordnen. Es fußte einerseits auf der abstrakten, konkreten und minimalistischen Kunst des 20. Jahrhunderts und griff andererseits zurück auf das Farbgefühl der Malerei des Spätmittelalters und der Renaissance, beispielsweise von Giotto, Fra Angelico, Antonello da Messina oder Piero della Francesca.
Sein Denken kreiste um Anwesenheit und Abwesenheit, um die Definition von Räumen und die Wechselwirkung zwischen künstlerischer Setzung und vorgefundener Umgebung. Das künstlerische Vokabular, dessen Spalletti sich bediente, war stets überschaubar: Einige wenige verhaltene Grau-, Blau-, Gelb-, Grün- und Rot- oder Rosatöne und dazu Weiß, Schwarz und Gold, die geo- bzw. stereometrischen Formen von Rechteck, Dreieck und Kreis, von Zylinder, Kegel und Kugel – mehr bedurfte es nicht, um eine schier unendliche Vielfalt unverwechselbarer Situationen zu schaffen.
Spallettis Arbeiten waren in ihrer Klarheit und Einfachheit bezwingend. Sie besaßen eine außerordentliche materielle Präsenz und Anziehungskraft, wirkten dabei aber zugleich zart und schwerelos.
Im Museum Kurhaus Kleve schloss Ettore Spallettis Ausstellung nicht nur programmatisch an frühere Präsentationen zu äußerst reduzierten Positionen der Malerei an – etwa Niele Toroni (2002), On Kawara (2003), Alan Charlton (2008) oder Brice Marden (2009). Sie setzte auch eine Reihe mit wichtigen Vertretern der italienischen Gegenwartskunst fort, in der bisher Mario Merz (2001), Giovanni Anselmo (2004/05) und Giuseppe Penone (2006/07) zu sehen waren.
Das Museum Kurhaus Kleve würdigte einen wichtigen Aspekt des Werkes von Brice Marden: die Druckgraphik. Sie spielte eine Schlüsselrolle im Schaffensprozess des Künstlers, ist aber – mit Ausnahme einer Ausstellung in der Londoner Tate Gallery 1992 – noch nie in großem Maßstab vorgestellt worden. Auch die vom Museum of Modern Art, New York, vorbereitete und 2007 in der Nationalgalerie Berlin, Hamburger Bahnhof, gezeigte Retrospektive hatte ihn ausgeblendet.
Mit rund 100 druckgraphischen Arbeiten, die ergänzt wurden durch ausgewählte Zeichnungen und Gemälde, machte die Ausstellung Brice Mardens einzigartige Leistung als Graphiker erfahrbar – und gab zugleich einen repräsentativen Überblick über die Intentionen seiner Arbeit und die Entwicklung seines Werks von den 1960er Jahren bis heute.
Dabei zeigte sich, dass die Druckgraphik für den Künstler keineswegs ein nebensächliches oder gar der Malerei untergeordnetes Medium war, sondern vielmehr eine Ausdrucksform von eigenem Rang. Immer wieder leitete Marden entscheidende Schritte in seinem Werk mit Radierungen, Lithographien oder Siebdrucke ein. Der experimentelle Umgang mit diesen handwerklich anspruchsvollen Techniken ist ein in seiner Bedeutung kaum zu überschätzender Stimulus für sein Schaffen.
Die Ausstellung „Brice Marden – Retrospektive der Druckgraphik“ wurde konzipiert vom Museum Wiesbaden, wo sie vom 28.09.2008 bis zum 18.01.2009 zu sehen war. Das Museum Kurhaus Kleve konnte sie als zweite und letzte Station präsentieren.
Brice Marden (geboren 1938 in Bronxville, lebt in New York) zählte zu den international renommiertesten Vertretern der abstrakten Malerei in den USA. Seit den 1960er Jahren hat er ein Werk entfaltet, das, fußend auf dem Abstrakten Expressionismus, von der Kraft der Farbe und von der Dynamik der Linie handelte, das subjektives Erleben in bestechend einfache und dennoch hoch komplexe Formen goss, das einerseits von tiefem Verständnis für die Natur durchdrungen und andererseits an der intensiven Beschäftigung mit europäischer und fernöstlicher Geschichte und Kultur gewachsen war. Mit der Ausstellung von Brice Marden setzte das Museum Kurhaus Kleve eine Reihe von Präsentationen herausragender amerikanischer Künstler fort, die 1999 mit einer Retrospektive der Druckgraphik von Richard Serra begann und bisher u. a. Ausstellungen von Mark Tansey (2005) und Robert Indiana (2007) umfasste.
Alan Charlton (geboren 1948 in Sheffield) zählt zu den bedeutendsten Vertretern einer minimalistischen und konzeptuellen Kunst in England. Seit 1970 besteht sein Œuvre ausschließlich aus monochrom grauen Bildern und hat sich in einzigartiger Konsequenz und Strenge entwickelt. Bedeutende Museen und Galerien weltweit haben es in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen gewürdigt. Die Ausstellung des Museum Kurhaus Kleve war Alan Charltons erste große Einzelpräsentation in einem deutschen Museum seit über zehn Jahren.
Nach eingehender Auseinandersetzung mit der Museumsarchitektur konzipierte der Künstler sie als eine spannungsvolle Folge von Sälen unterschiedlichen Charakters und zugleich als facettenreiche Bilanz seines Schaffens der letzten knapp vierzig Jahre.
„I am an artist who makes a grey painting.“ Mit diesen Worten umschrieb Alan Charlton selbst seine Arbeit, deren hervorstechendes Kennzeichen es ist, höchste Komplexität aus größtmöglicher Vereinfachung zu entwickeln. Charltons monochrome Bilder zeugen von einer unprätentiösen, aber handwerklich kompromisslosen Auffassung des Malaktes. Sie weisen die unterschiedlichsten Abschattungen von Grau auf und existieren in beinahe allen erdenklichen Formaten, treten sowohl als einzelne Tafeln wie auch als Elemente vielteiliger Ensembles auf.
Stets jedoch folgen sie klaren Maßverhältnissen, für die ein Quadrat mit der Kantenlänge von 4,5 cm als Modul dient. Es regelt sowohl die Formate einzelner Leinwände wie auch deren Beziehung untereinander.
Das Geheimnis der Wirkung von Charltons Arbeiten lag in ihrer Interaktion mit den Sälen, in denen sie gezeigt wurden. Tatsächlich sind sie der Intention des Künstlers zufolge erst im Moment ihrer Installation im eigentlichen Sinn vollendet. Der Raum, in dem sie ausgestellt werden, ist gleichsam der Rahmen, auf den hin sie immer schon entworfen waren. Er bringt sie zur Geltung und verleiht ihnen Bedeutung. Umgekehrt wirken die Werke auf den Raum zurück und lassen ihn neu erfahrbar werden. Tatsächlich – und das ist kennzeichnend für die experimentelle Seite von Charltons Schaffen – regen bestimmte Installationen wiederum neue Werke oder Werkgruppen an.
Der offene Dialog zwischen Charltons Arbeiten und einer gegebenen Architektur stimuliert weit reichende Reflexionen über die Möglichkeiten von Malerei überhaupt. Er wirft fundamentale Fragen auf zu den besonderen Eigenschaften von Bildern, zu ihren malerischen und skulpturalen Qualitäten, zum Verhältnis zwischen Bild und Raum sowie zwischen Bild und Betrachter.
Das Museum Kurhaus Kleve richtete die erste museale Einzelpräsentation in Deutschland des Londoner Künstlers David Thorpe aus. Im Zentrum der Ausstellung standen zwei Raum greifende Installationen, von denen eine eigens für diesen Anlass geschaffen wurde. Darüber hinaus wurden ausgewählte Hauptwerke der Jahre 1999 bis 2007 gezeigt. Besondere Aufmerksamkeit galt dabei den delikaten Collagen aus Papier und anderen (Natur-) Materialien, mit denen der Künstler international bekannt wurde. Sie wurden ergänzt durch Aquarelle und Zeichnungen sowie Skulpturen und kleinere installative Arbeiten.
David Thorpe, geboren 1972 in London, hat in den letzten Jahren Aufsehen erregt durch ein Werk, das gleichermaßen handwerklich wie intellektuell anspruchsvoll ist.
Seine Arbeit kreist um Vorstellungen von Freiheit und Unabhängigkeit, handelt von utopischen Konzepten und ihrem Scheitern. Ihre Referenzen sind weit gestreut, reichen von der Kunst der europäischen Romantik und der amerikanischen Pioniermalerei über die Arts-and-Crafts-Bewegung bis zu den Visionen der Klassischen Moderne und schließen u. a. auch die Utopien von Sekten, religiösen Eiferern und Lebensreformbewegungen vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart mit ein.
Mit seinen minutiös gearbeiteten Collagen, Skulpturen und Installationen entwarf David Thorpe Parallelwelten von betörender Schönheit. Seine Bilder zeigen wilde Bergwelten, in denen sich festungsartige Gebäude rätselhafter Bruderschaften erheben, während der Mensch auf die Größe einer Stecknadel geschrumpft zu sein scheint. Sonderbare skulpturale Objekte mit ornamentierten Oberflächen, die an Raketen erinnern, ragen spitz auf schlichten Holzsockeln auf, und fragile Konstruktionen aus Holz und Glas – Zwitter, so scheint es, zwischen UFO und modernistischem Glashaus – tasten sich vorsichtig in den Raum vor, beide nicht selten gleichsam geschützt durch ebenfalls aus Holz und Glas gefertigte Wandschirme.
Sind alle diese Arbeiten einerseits aufgrund der verwendeten Materialien der Inbegriff des Verletzlichen und Zerbrechlichen, so stellen sie andererseits eine enorme Herausforderung für jeden dar, der sich ihnen nähern will – physisch wie geistig. Denn sie umgibt nicht nur die Aura des Fremden und Hermetischen, sie können auch geradezu bedrohlich wirken.
In besonderem Maße gilt das für „The Defeated Life Restored“, eine der beiden großen Installationen, die im Museum Kurhaus Kleve zu sehen waren. Mit Hilfe von Wandschirmen definierte diese Arbeit einen Raum mit eigenen Gesetzen, den man nur durch zwei schmale Öffnungen betreten konnte. In ihrem Inneren begegneten Besucher*innen drei sternförmigen Skulpturen, deren Oberflächen über und über mit kleinteiligen Kacheln bedeckt waren, sowie einer Serie großformatiger Pflanzenaquarelle. Diese Pflanzen sind in den Details verblüffend realistisch gemalt, spotten in ihrer Morphologie aber allen Gesetzen der Natur.
Das Museum Kurhaus Kleve richtete Robert Indiana, einer lebenden Legende der zeitgenössischen Kunst, die erste große museale Einzelausstellung in Deutschland seit 40 Jahren aus. Indianas „sign-paintings“ – im besten Sinn des Wortes plakative Arbeiten mit und über Schrift, Zahlen und Zeichen – sind weltberühmt und trugen ihm den Ruf ein, der „amerikanischste“ Vertreter der Pop Art zu sein.
Die Ausstellung des Museum Kurhaus Kleve konzentrierte sich auf die wichtigste Periode im Schaffen Robert Indianas: den Zeitraum zwischen 1960 und 1980, in dem er sich mit Schrift- und Zahlenbildern international als der „amerikanische Maler der Zeichen“ profilierte. Sie umfasste Gemälde ebenso wie Druckgraphiken und Skulpturen und zeigt so die ganze Bandbreite von Indianas Denken und Schaffen.
Ein besonderer Schwerpunkt lag auf dem typographischen Motiv „LOVE“, das immer wieder als Symbol für das Lebensgefühl der 1960er Jahre zitiert wurde und schon früh begonnen hat, ein von seinem Schöpfer unabhängiges Eigenleben zu führen.
Erstmals öffentlich zu sehen war eine umfangreiche Serie monumentaler Teppiche, in denen Indiana „LOVE“ in den unterschiedlichsten Farben aufleuchten lässt.
Robert Indiana wurde 1928 unter dem Namen Robert Clark in New Castle / Indiana geboren; seit 1978 lebte und arbeitete er auf Vinalhaven, einer Insel vor der Küste des US-Bundesstaates Maine. Nach dem Studium am Art Insitute in Chicago, an der Skowhegan School of Painting and Sculpture in Maine sowie in Edinburgh / Schottland, ließ er sich 1954 in New York nieder, wo er in intensiven Austausch u.a. mit Ellsworth Kelly, Agnes Martin und James Rosenquist trat.
Gemeinsam mit Roy Lichtenstein und Andy Warhol, mit dem er 1964 an dem Film „Eat“ arbeitete, avancierte er zu einer Schlüsselfigur der Pop Art. Schnell machte Indiana auch international von sich reden. Schon 1966 hatte er seine erste Einzelausstellung in Europa, mit Stationen im Van Abbemuseum, Eindhoven, im Museum Haus Lange, Krefeld, und im Württembergischen Kunstverein, Stuttgart. Zwei Jahre später war er glänzend mit über 20 Arbeiten auf der documenta 4 in Kassel vertreten. Robert Indianas Werke wurden in vielen Gruppenausstellungen weltweit präsentiert, keine Pop Art-Schau kam ohne ihn und seine Zahlen- und Buchstabenbilder aus.
Die Ausstellung stand unter der Schirmherrschaft des Botschafters der Vereinigten Staaten von Amerika, William R. Timken, Jr. Es erschien ein Katalog.
Das Rijksmuseum Amsterdam war wegen Renovierungsarbeiten für mehrere Jahre teilweise geschlossen. Während dieser Zeit zeigte es eine erlesene Auswahl von Meisterwerken des sog. „Goldenen Zeitalters“. Um auch die übrigen Aspekte seiner viele Jahrhunderte und alle Erdteile umfassenden Sammlung für die Öffentlichkeit präsent zu halten, gab es Dauerleihgaben an zehn ausgewählte Gastmuseen. Acht von ihnen liegen in den Niederlanden (in Assen, Maastricht, Enschede, Dordrecht, Weesp, Apeldoorn, Den Haag und Uden) und eines in Belgien (Antwerpen). Das Museum Kurhaus Kleve ist der einzige Partner in Deutschland, der Dauerleihgaben aus der Sammlung des Rijksmuseums Amsterdam empfangen hat.
Kleve ist die ehemalige Hauptstadt des gleichnamigen Herzogtums, wo im späten Mittelalter zahlreiche bedeutende Bildschnitzer arbeiteten, deren Werke sich heute nicht nur in den Kirchen des Niederrheins, sondern auch in Museen in aller Welt befinden. Das Rijksmuseum besitzt ebenso wie das Museum Kurhaus Kleve Hauptwerke dieser Künstler.
Es lag von daher nahe, in Kleve die niederrheinischen, deutschen und französischen Skulpturen des Mittelalters und der Frührenaissance aus der Sammlung des Rijksmuseums zu präsentieren. Es handelte sich um insgesamt rund 70 Arbeiten aus dem Zeitraum von 1200 bis 1600: Schätze der gotischen Elfenbeinkunst und Werke von bekannten Meistern wie Tilman Riemenschneider und Henrik Douverman waren ebenso darunter wie Bronzen der Renaissance.
Darüber hinaus wurden zum ersten Mal im internationalen Rahmen auch einige Neuerwerbungen präsentiert – etwa eine spätgotische Johannesschüssel oder das in seinem Realismus frappierende Selbstbildnis von Johan Gregor van der Schardt.
Zur Ausstellung wurde in enger Kooperation zwischen dem Rijksmuseum Amsterdam und dem Museum Kurhaus Kleve ein wissenschaftlicher Katalog aller ausgestellten Werke erarbeitet, herausgegeben von Frits Scholten und Guido de Werd.
Anlässlich seines zehnjährigen Bestehens zeigte das Museum Kurhaus Kleve einen repräsentativen Querschnitt durch das bedeutende Aquarellwerk Ewald Matarés (Aachen-Burtscheid 1887-1965 Büderich bei Düsseldorf). Zu sehen waren rund 100 Arbeiten, die einen Bogen vom Früh- zum Spätwerk, von den 1920er bis in die 1950er Jahre, spannten. In erster Linie handelte es sich um präzis beobachtete und direkt vor dem Motiv mit größter malerischer Delikatesse umgesetzte Landschaften, die vom fortwährenden Dialog des Künstlers mit der Natur zeugen.
Ewald Matarés Aquarelle sind seit fast dreißig Jahren nicht mehr in größerem Umfang gewürdigt worden. Viele der jetzt präsentierten Blätter waren noch nie öffentlich ausgestellt, einige sind erst vor kurzem überhaupt wieder entdeckt worden. In Ewald Matarés facettenreichem Œuvre kommt dem Aquarell eine Sonderstellung zu. Wenngleich er als Maler ausgebildet war (er studierte an der Akademie der Bildenden Künste in Berlin u.a. bei Lovis Corinth), begriff er sich seit dem Beginn der 1920er Jahre in erster Linie als Bildhauer und entwickelte seine abstrahierten Skulpturen von Tieren und Menschen aus dem intensiven Kontakt mit dem Material, vorzugsweise Holz. Die spezifischen Eigenschaften des Werkstoffs und der Widerstand, den er der Hand des Künstlers entgegensetzte, waren wesentliche Stimuli des Schaffensprozesses.
Die Herausforderung des Aquarells hingegen lag für Mataré im Fehlen jeglichen materiellen Widerstands, in der Luftigkeit und Transparenz der mit Wasser aufgetragenen Farbe. Es vermittelt daher in besonderer Weise ein Gefühl für das Ringen des Künstlers mit der Form, für sein Anliegen, sie zum „Ornament“, also zum Sinnbild der höheren Ordnung der Natur, zu verdichten. Somit eröffnen die Aquarelle einen Weg in die Mitte von Matarés Denken und zu den Grundsätzen seiner Kunst – auch wenn (oder besser: gerade weil) er selbst sie als „Übungsaufgaben“ oder „bloße Anfänge“ bezeichnete.
Wer sie betrachtet, versteht unmittelbar, was Mataré meint, wenn er schreibt, er wolle ein Motiv „auswendig lernen, um es dann später zu einem inneren Zusammenhang umzubilden“. Stets gegenwärtig ist dabei das große Vorbild Albrecht Dürer; schließlich war Mataré tief beeindruckt von dessen berühmtem Diktum, die Kunst stecke in der Natur, und wer sie herausreißen könne, der habe sie.
Ewald Mataré war einer der wichtigsten und einflussreichsten Protagonisten der Klassischen Moderne in Deutschland. Zumal um die Entwicklung der Kunst im Rheinland nach 1945 hat er durch seine zahlreichen Arbeiten im öffentlichen Raum sowie durch sein Wirken an der Kunstakademie Düsseldorf, wo u.a. Joseph Beuys und Erwin Heerich zu seinen Schülern zählten, große Verdienste. Das Museum Kurhaus Kleve bewahrt und erforscht den umfangreichen Nachlass des Künstlers und führt deshalb den Titel „Ewald Mataré-Sammlung“.
Mag. phil. Valentina Vlašić